Dass die Oben-ohne-Forderung der Hamburger SPD so große Wellen schlägt, ist nicht überraschend: Denn wenn es um Brüste geht, hat plötzlich jede:r was zu sagen. Vor allem Männer. Bei denen stößt der Vorschlag, Kleidervorschriften für Frauen und non-binäre Menschen in Schwimmbädern aufzuheben, auf größere Zustimmung als bei den Frauen selbst. Überraschend ist das gar nicht, sondern eher ein Ausdruck dafür, wie sehr weibliche Brüste noch sexualisiert werden. Und das muss und kann hoffentlich nur aufhören, wenn wir sie normalisieren. Der Oben-ohne-Vorschlag ist also genau richtig.
Wer „oben ohne“ tragen darf, legt jedes Schwimmbad selbst in seiner Badeordnung fest. In der Hausordnung eines bekannten Hamburger Schwimmbads heißt es zum Beispiel: „Der Aufenthalt im Nassbereich der Bäder ist nur in üblicher Badekleidung ohne Taschen gestattet.“ Auf verschiedene Presseanfragen antwortete das Schwimmbad, dass es derzeit eben nicht üblich sei, dass Frauen ohne Oberbekleidung schwimmen. Ein Göttinger Schwimmbad machte kürzlich erst mit einer Badeordnung-Ergänzung deutlich, dass es den Besucher:innen das „Tragen eines Oberteils als Badekleidung“ an bestimmten Tagen in der Woche „freistellt“.
Vor allem kommt er genau zum richtigen Zeitpunkt: Denn wenn man sieht, wie Frauen in anderen Ländern gerade die Rechte über ihren eigenen Körper genommen werden, dann hätte ein Beschluss, wie ihn die SPD fordert, Signalwirkung. Es wäre ein Zeichen Zeichen für die Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung von Frauen. Denn mit welchem Recht dürfen sich Männer vor allen Schwimmbad-Besucher:innen schamlos ihre T-Shirts vom Leib ziehen und blanke Brust zeigen – während Frauen dieses Recht verwehrt bleibt? Solange nicht gleiches Recht für alle Geschlechter herrscht, sprechen wir hier von Diskriminierung. Es ist in einem Jahr wie 2022 wirklich nicht mehr zeitgemäß, dass sich weiblich gelesene Menschen peinlich berührt ein Handtuch vorhalten müssen, während sie sich im Freibad umziehen.
Frauen, die in der Öffentlichkeit ihre Brüste zeigen, ob beim Stillen oder aus welchem Grund auch immer, werden ganz schnell angefeindet. Sie gelten als freizügig, unmoralisch, leicht zu haben – und hinter dieser Ansicht steckt eine sehr männliche Perspektive. Denn weibliche Brüste und feminine Körper werden einfach immer noch stark sexualisiert. Und es ist mehr als verständlich, wenn sich Frauen aus genau diesem Grund unwohl bei der Vorstellung fühlen, im Schwimmbad ohne Bikini-Oberteil herumzulaufen. Denn gaffende Blicke, sexistische Kommentare und im schlimmsten Fall sogar unangemessene Berührungen musste wohl jede weibliche gelesene Person schon einmal durchmachen – und damit wird wohl leider auch zu rechnen sein, sollte sich der SPD-Vorschlag wirklich durchsetzen.
Und trotzdem befürchte ich, dass uns nur dieser eine Weg bleibt, wenn wir die Diskriminierung auf lange Sicht bekämpfen und uns in Richtung Gleichberechtigung bewegen wollen: Wir müssen die weiblichen Brüste normalisieren – daher wäre „oben ohne“ im Schwimmbad ein richtiger und wichtiger Schritt. Aber allem voran müssen Männer, die sich unangemessen verhalten, mehr in die Pflicht genommen werden. Denn die Brüste, die sind nicht das eigentliche Problem.
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