Ehrensache #3 Ein Tag bei „MAhL ZEIT“ in Altona

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Bei MAhL ZEIT in Ottensen dürfen sich alle, denen es nicht so gut geht, bei Mahl und Zeit heimisch fühlen. In einem warmen Aufenthaltsraum werden Frühstück und Mittagessen serviert, in einer kleinen Kleiderkammer gibt’s neue Klamotten für die Gäste und außerdem gegen kleines Geld eine warme Dusche. Es sind übrigens Obdachlose und Nicht-Obdachlose samt ihrer flauschigen Vierbeiner willkommen. Wir haben uns das MAhL ZEIT mal genauer angeschaut und mit angepackt.

Ehrensache

In unserer Reihe „Ehrensache“ probieren wir für euch Hamburgs Ehrenämter aus. Wo kann man sich engagieren? Und vor allem: wann und wie oft? All das wollen wir für euch herausfinden – und euch im besten Fall dazu ermutigen, selbst Gutes zu tun.

In der Kleiderkammer mit Sabine

Unser Tag startet in der Kleiderkammer des MAhL ZEIT. Sabine arbeitet hier ehrenamtlich und weist uns ein. Unsere Aufgaben sind zwar klein, aber mit großer Wirkung: Wir sortieren Ware ein und geben sie an die Gäste aus. Wer ein neues Kleidungsstück braucht, stellt sich in die Schlange, sagt, was es sein darf, die entsprechende Größe und wir flitzen samt Sabine in den Fundus und suchen raus, was gewünscht wird. Das Ergebnis: Meist ein breites Grinsen im Gesicht der Gäste.

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Sabine hat hier das Zepter in der Hand.
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Juri ist auch ehrenamtlich am Start.

Heiße Ware, kleiner Tresen

Uns fällt auf: Besonders gefragt sind neue Schuhe. Das hat einen ganz einfachen Hintergrund, erklärt Sabine uns: „Die Obdachlosen tragen ihre Schuhe den ganzen Tag, die müssen sitzen und werden natürlich schneller in Mitleidenschaft gezogen als bei anderen Menschen“. Macht Sinn! Was uns betrifft: Wir freuen uns, so vielen Menschen heute ein Lächeln ins Gesicht gezaubert zu haben und sie in warmer, funktionstüchtiger Kleidung auf der Straße zu wissen.

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Für Wohnungslose ist es extrem wichtig, sich regelmäßig waschen zu können. Es gibt ihnen ein Zugehörigkeitsgefühl in der Gesellschaft. Bei MAhL ZEIT kann jeden Morgen geduscht werden – im zwanzigminütigen Takt. Duschgel, frische Socken und eine frische Unterhose gibt’s im Wohlfühl- aka. Duschkorb dazu. Jetzt packen wir richtig mit an: Zwischen den einzelnen Duschzeiten huschen wir in das riesige Bad, lüften durch und putzen es im Handumdrehen: Desinfektionmittel, Wasserschlauch, mit dem Wasserabzieher den Boden trocknen, Fenster zu und fertig für die nächste Dusche!

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Juri arbeitet gemeinsam mit Sabine in der Kleiderkammer – ebenfalls ehrenamtlich. „Ich wollte eigentlich nur ein bisschen mithelfen, bin dann aber einfach geblieben“, erzählt er uns, während wir frische Sockenpaare zusammenfalten. Die Gäste seien alle sehr nett. Oh ja, das ist uns auch schon aufgefallen! Zu MAhL ZEIT darf nämlich auch nur, wer nüchtern ist oder, um es mit den Worten von Juri zu sagen: „Sternhagelvoll kommt hier keiner rein“. Und das auch ist gut so! In der Tagesstätte in Altona soll es friedlich zu gehen.

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Ab geht's in die Küche!
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Heute gibt es Rührei mit Speck!

Im MAhL ZEIT wird zeitig gegessen. Punkt zwölf Uhr steht das Essen auf dem Tisch. Der Aufenthaltsraum ist vom Frühstück noch gut besetzt. Heute auf der Speisekarte: Rührei mit Speck und Kartoffelpüree. In der Küche packt die Chefin Marion noch selbst mit an. Seit über 20 Jahren leitet die Powerfrau das MAhL ZEIT. Wir helfen beim Spülen des Geschirrs, trocknen ab und bringen Teller und Gläser für die Gäste an den Tresen.

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Hier landen Spenden für unterwegs und vor Ort.

Der Gabentisch

Auf dem Gabentisch im Aufenthaltsraum landen verschiedene Spenden. Wir dürfen heute Bücher auslegen. Die können von den Gästen entweder vor Ort oder unterwegs gelesen werden. Und man o man, sind die beliebt! Die meisten Wälzer werden uns bereits abgenommen, bevor wir sie überhaupt auf dem Tisch gelegt haben. Bildbände, Klassiker und Reiseführer – wirklich alles findet seinen Weg zu MAhL ZEIT. Einer der Gäste, der besonders interessiert an den Bildbänden ist, erzählt uns, dass er einst Künstler gewesen sei und es ihm deshalb sehr viel bedeuten würde, diese Bücher mitnehmen zu dürfen. Wir merken schnell: Hier bei MAhL ZEIT hat jeder seine Geschichte.

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Zeit für ein Pläuschchen.

Zu Tisch!

Wir mischen uns gleich mal unter das hungrige Volk und lernen eine ältere Dame kennen. Sie ist Mitte 70 und lebt in einer Notunterkunft für Frauen. Ihre Wohnung musste sie verlassen. Warum genau, kann sie uns nicht erklären. Sie erzählt uns, dass sie davon träume, eines Tages ein eigenes Buch zu veröffentlichen und das würde dann garantiert ein Bestseller, schließlich hätte sie eine Geschichte und sei Überlebenskünstlerin. Während sie uns von ihrer Zeit in der Notunterkunft erzählt, kommen ihr die Tränen. Tränen, die keine Worte heilen können. Wir versuchen durch aufmerksames Zuhören Trost zu spenden.

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Marion beantwortet geduldig all unsere Fragen.
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WIR HABEN EINIGE FRAGEN! Schicht im Schacht – Zeit zum Schnacken

Um nicht mal 12:30 Uhr haben fast alle Gäste aufgegessen, wir gesellen uns zu Marion.

1. Warum kommen so wenige Frauen zu MAhL ZEIT?
„Die meisten Frauen besuchen extra Einrichtungen, die ausschließlich für Frauen sind. Oft kommen Damen mit ihrem Partner zu uns, vereinzelt aber auch alleine.“

2. Kommen viele junge Leute zu euch?
„Die Altersgruppen unserer Gäste sind durchmischt. Ich hatte mal vor sehr langer Zeit ein junges Pärchen, beide unter 18, die zusammen auf der Straße gelebt haben. Sie wurde schwanger und die zwei beschlossen das Kind behalten zu wollen. Das ging leider nach hinten los und ich übernahm noch eine Vormundschaft und half den beiden, wo ich konnte. Der Kleine ist heute 18. Die zwei sind zwar kein Paar mehr, aber ich habe zu beiden noch guten Kontakt.“

3. Wie viele Gäste betreut ihr im Schnitt?
„Das kann sehr stark schwanken. Das wissen wir nie genau. Aber ich habe hier Weihnachten mal mit circa 300 Gästen gestanden.“

Tschüss und bis zum nächsten Mal!

Wenn wir könnten, würden wir am liebsten jeden Tag bei MAhL ZEIT mithelfen. Aus unserem Ehrenamt heute nehmen wir einiges mit: Wir wollen noch empathischer mit unseren Mitmenschen umgehen, grundsätzlich immer einen Blick hinter die Fassade werfen und uns öfter vor Augen führen, dass keiner, der Wohnungslosen sein Los freiwillig gezogen hat, geschweige denn deshalb kein gleichwertiger Teil unserer Gesellschaft ist. Außerdem sollten wir uns öfters fragen: „Was genau ist es eigentlich, das uns glauben lässt, von einem solchen Schicksal befreit zu sein?“

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Wir kommen wieder!

Das Ehrenamt im Check:

Personen über 18 Jahre, die sich nicht scheuen, mit anzupacken.

Wie oft ihr helfen könnt, sprecht ihr individuell ab.

Billrothstraße 79
22767 Hamburg