Vom Anwalt zum begehrten Maler? No problemo! Mit farbenfroher Kunst und lebendigen Ausstellungen stellt Paul Schrader den klassischen Kunstmarkt ordentlich auf den Kopf. Welche Rolle Instagram dabei spielt und wo ihr ihn bei einer Apokalypse finden würdet, verrät er uns in seinem zauberhaften Atelier.
Wir sprechen mit kreativen Köpfen und mutigen Machern – Menschen, die unsere Stadt mit ihren Ideen, Projekten und Visionen noch ein bisschen toller machen. In ihren vier Wänden erzählen sie uns, was sie antreibt, was sie sich wünschen und warum sie sich in Hamburg so wohlfühlen. Ready für ein bisschen Klönschnack? Dann los!
Die Zeichen für einen super Tag stehen gut! Die Sonne lässt sich wieder blicken, es duftet herrlich nach Sommerregen und ich besuche Paul Schrader für eine Homestory. Der Hamburger Künstler wohnt und malt in seinem Ort für alles mitten in Ottensen. Endlich die richtige Klingel gefunden, summt auch schon das große Tor zu Pauls Wohnung – nein, zu Pauls Großstadtoase! Hinter der grauen Fassade versteckt sich nämlich ein märchenhafter Innenhof, dicht bewachsen von Rosenbüschen, bunten Wildblumen und hohem Gras. Kann mich mal eben jemand kneifen?
Paul führt uns durch den Wintergarten in seine wunderhübsche Wohnung, die Atelier, Kreativwerkstatt und Ruhepol zugleich ist. Super clean, minimalistisch – gleichzeitig kunterbunt und urgemütlich! Hier lebt und malt Paul seit sieben Jahren. Eigentlich ist er promovierter Jurist und arbeitete jahrelang als Anwalt. Seit Anfang des Jahres ist er Maler in Vollzeit, verkauft seine farbenfrohen Leinwände bis nach Mumbai und bringt mit seiner Leidenschaft ganz viel Spaß in die Kunstwelt.
Das Schöne an der Kunst? Du brauchst kein Staatsexamen, um loszulegen. Du brauchst eine Leinwand, Farbe und dann go!
Paul Schrader
1. Wollte als Kind Pilot werden.
2. Hat einen Punkt in Flensburg und wurde deshalb kein Pilot.
3. Verschenkte seine ersten Bilder an Freunde.
4. Sein teuerstes Bild kostet heute 60.000 Euro.
5. Pauls liebste Date-Location ist die Alster.
6. Malt mit alltäglichen Dingen wie Karteikarten oder Lippenstiften.
7. Sein Guilty Pleasure: Adana-Spieße von Köz Urfa.
Die erste Station meiner Paul-Homestory ist sein Wohnzimmer (es folgen übrigens noch drei – in Pauls Maisonette geht’s heute hoch hinaus). Auf dem Boden liegen Hochglanzmagazine, Louis Vuitton-Kartons und ein Dutzend Sneaker. Der Küchentisch ist noch vom Frühstück gedeckt und es duftet nach frisch aufgebrühtem Kaffee. Lässt man hier einmal seinen Blick schweifen, gibt’s Pauls aktuelle Werke zu entdecken. Große, kunterbunte Leinwände, eine schöner als die andere. Kunst war schon immer Pauls Leidenschaft. Bereits als kleiner Junge zeichnete er viel, zog bei Nacht und Nebel mit Spraydosen im Gepäck durch die Stadt und rockte später den Kunstleistungskurs. Aus Vernunft entschied er sich aber für das Jurastudium und tauschte Pinsel und Farbe gegen Lehrbücher und Paragraphen.
„Nach dem ersten Staatsexamen kam das zweite, dann der Doktortitel und mit dem Job als Rechtsanwalt begann ich auch wieder das Malen“, erzählt er und fläzt sich mit mir an den Küchentisch. „Früher habe ich meine Bilder an Freunde verschenkt und irgendwann habe ich mein erstes Bild für 500 Euro verkauft – das war so unglaublich, weil ich nie gemalt habe, um Geld damit zu verdienen. Dann ging alles Schlag auf Schlag! Bei einer Vernissage lernte ich eine Galeristin kennen, zeigte ihr auf dem Handy Fotos meiner Bilder und lud sie ein, vorbeizukommen. Am nächsten Tag stand sie bei mir zuhause und fragte: Wie schnell kannst du eine Ausstellung vorbereiten? – Und dann ging’s los!“
Während seiner Zeit in der Kanzlei malte Paul nur nachts oder am Wochenende. Heute schwingt er fast täglich den Pinsel, stellt bis zu 20 Bilder im Jahr fertig und erreicht einen sechsstelligen Umsatz. „Hättest du das meinem zwölfjährigen Sprayer-Ich erzählt, wäre ich wahrscheinlich umgekippt“, lacht Paul und guckt super dankbar zu seinen Bildern. Hinter ihm hängt Paris – sein aktuell größtes Bild. Frisch von einer Reise durch Frankreich inspiriert, kreierte er es mehrere Monate lang mit Öl- und Acrylfarbe und hat zwischen den Farbschichten sogar ein Metro-Ticket versteckt. Pauls Spirit-Artists sind übrigens Jean-Michel Basquiat oder Cy Twombly: „Das sind Künstler mit einer Leidenschaft, die mich antreibt.“
Nicht nur Roadtrips, Lichteinflüsse und neue Farbwelten sind Inspirationsquelle – auch die Kunstszene Berlins hat’s Paul angetan. „In Berlin finden jeden Abend Partys und wilde Ausstellungen statt. Man zieht mit Freunden durch die Galerien, lässt sich inspirieren, trinkt ein Gläschen Crémant, ist dabei oft anonym und steuert dann die nächsten Appointments an.“ Trotzdem ist er am liebsten in seinem Heimathafen Hamburg. Die Kunstszene ist hier zwar ruhiger, aber viel persönlicher und daher vielleicht sogar intensiver. „Als Künstler finde ich den Austausch zu den Leuten so unglaublich wichtig. Eine Ausstellung soll dich nicht mehr loslassen.“
Das Aurel ist Pauls Place-to-be für den ein oder anderen Vino. Wen wundert’s – die Kultbar am Alma-Wartenberg-Platz ist nur einen Katzensprung von seinem Zuhause entfernt. Hier trifft Paul übrigens auch öfter mal auf seinen ehemaligen Kunstlehrer Herrn Weigt. Welche Kunstnote er früher hatte? Natürlich eine 1!
Paul schenkt uns Kaffee nach und führt mich über die Wendeltreppe hoch in die zweite Etage aka Kreativwerkstatt. Hier stolpere ich erst einmal über die tausenden Farbflaschen und bin direkt in love mit Pauls Bild-Adiletten-Konstruktion. Hier geht’s eben stylisch zu – selbst der Parkettboden ist voll mit kunterbunten Farbklecksen und Blüten, die von draußen hineingeweht wurden. „Am liebsten male ich abends bis tief in die Nacht, höre dabei rauf und runter Nas und lege dann einfach los. Ich habe am Anfang eine ganz genaue Vorstellung – wie so eine Art Traumwelt – und trage die Farbe dann Schicht um Schicht auf“, erzählt mir Paul und schnappt sich einen Lippenstift, mit dem er seine neueste Bildreihe Kissed malt – ein super spannendes und noch geheimes Projekt. Also pssst! Während er früher noch zu alten Karteikarten griff, kreiert er seine unverwechselbaren Farbwelten heute mit alltäglichen Dingen wie Hochglanzmagazinen, kleinen Pinsel oder sogar Müslischüsseln.
Das Coolste ist, wenn du eine weiße Leinwand hast und von Neuem anfängst. Du musst dich mit deinen Bildern selbst überraschen!
Paul Schrader
Im Worst Case würde sich Paul seine besten Kumpels schnappen und hoch auf den Tele-Michel steigen. Früher war er hier mal mit seinen Eltern, als es noch das Dreh-Restaurant gab. Vielleicht geht’s ja bald wieder hoch hinaus – 2023 soll der Fernsehturm wieder zugänglich sein.
Paul steht total auf Farbkombis. Aber wie merkt man, dass ein Bild fertig ist? „Das ist ganz krass – das spürt man einfach. Manchmal gefällt mir ein Bild schon mega gut und ich will nicht weitermalen, um es nicht kaputt zu machen. Viele Bilder, die ich anfing zu malen, wurden nämlich absolut nichts,“ lacht Paul und zeigt auf ein paar umgedrehte Leinwände. Aber wenn ein Bild was wird – dann Holla, die Waldfee! Die Bilder des ehemaligen Anwalts sind bei Kunstliebhabern, Sammlern und Influencern so beliebt, dass Paul zwischen 10.000 und 30.000 Euro pro Bild bekommt. Viele Anfragen gibt’s übrigens über Social Media. „Instagram ist wie ein Schaufenster für Künstler. Während ein Werk, das nur im Studio steht, selten gesehen wird – erreicht es über Social Media mega viele Leute“, meint Paul und zeigt mir seinen Feed. Total authentisch und ganz schön schnieke – aber wen wundert’s bei den Motiven. Beim Scrollen durch seine virtuelle Galerie entdecke ich Fotos von Caro Daur, die mittlerweile eine gute Freundin von Paul ist. Auch mit Influencerin Liberta und Fotografin Linda Böse macht er gemeinsame Sache: Ausgestattet mit Dior kreieren sie lebendige Szenen vor seinen Werken.
Aber auch in real life überzeugt Paul mit coolen Ausstellungen, die zum Erlebnis werden. Gemeinsam mit einem Kumpel aus Hamburg mietete er als Ausstellungsfläche einen Whitecube in Altona, der sich gegen Mittag zum gemütlichen Kunst gucken öffnete. DJ PLAZEBO legte entspannten Hip-Hop auf und irgendwann wurde das Ganze zur Party. „Was besonders cool war – es waren viele Leute dort, mit denen ich vorher schon über Instagram Kontakt hatte. Die Ausstellung war wie ein buntes Happening, von Followern, Kunstliebhabern und Leuten, die einfach von den Bässen angezogen wurden.“ Mehr Ausstellungen dieser Art sind übrigens in Planung. Sobald Paul das Datum für Hamburg dropped, sind wir natürlich am Start – ihr auch?
Weiter geht’s in Paul Schraders Schlafzimmer. Während er mir von anstehenden Projekten erzählt, entdecke ich ein Bild, das hier auf den ersten Blick so gar nicht reinpasst: „Kunst muss lebendig sein, damit sie mich berührt. Deshalb stehe ich eigentlich nicht auf figurative Malerei oder Stillleben. Trotzdem habe ich dieses Bild direkt vor mein Bett gehängt. Ich bin bei einer Ausstellung in New York an dem Werk eines schwedischen Künstlers vorbeigelaufen, musste mich direkt wieder umdrehen und dachte: Wow, das will ich haben.„
Paul ist selber total gerne im Bucerius Kunstforum: „Hier kann man ganz entspannt zwei Stunden verbringen“ – außerdem ist er jedes Jahr auf dem Artville oder auch oft in den Deichtorhallen.
Irgendwie hat sich das alles so ergeben – ich weiß gar nicht wie. Ich glaube, es war eine Mischung aus Glück und meinem inneren Antrieb.
Paul Schrader
Vier Stunden und drei Etagen voller Kunst, Mut und ansteckender Lebensfreude später, knurren Pauls und mein Magen im Takt. Für solche Momente hat Paul den perfekten Plan: Köz Urfa. Also auf zum anatolischen Food-Tempel! Ganz romantisch sitze ich mit dem ehemaligen Anwalt, der sich in kürzester Zeit zum Top-Künstler mauserte, mitten in Altona, lunche Kebap und stoße mit Ayran auf eine kunterbunte Zukunft an. Während Paul von seinen neuen Ideen und Plänen erzählt, beschäftigt mich nur eine Frage: Wann hängt über meiner Couch endlich ein Bild von ihm?