„Eigentlich ist Online Dating momentan nur noch die Suche nach einem Lockdown-Buddy auf Zeit“, seufzt meine Freundin, die sich kurz nach ihrer Trennung wieder ins Dating Game schmiss. „Ich glaube, das am meisten Brauchbare hat sich schon zu Beginn der Pandemie jemanden gesucht und lässt den auch erst danach wieder los – also stecke ich hier mit den Überresten fest.“ Cool, ihr merkt schon: Dieses eine Beispiel reicht, um aufzuzeigen, wie groß die Frustration unter vielen Singles gerade ist.
„Beziehungsweise“ untersucht – klar, liegt nahe – die Art und Weise, wie wir Beziehungen leben. Zum Partner, sich selbst, oder auch einfach dem Dude von Tinder, der sich schon wieder als Ultrafail entpuppt hat. Kolumnistin Anni hat in ihrem Leben nicht nur zu viel „Sex & the City“ geschaut, sondern auch stets selbst offene Augen und Ohren für alle Themen rund um Liebe, Sex und Dating. Einige davon lassen sich nur mit ordentlich Humor und Selbstironie verkraften – und es wäre doch viel zu schade, sie euch vorzuenthalten. Viel Spaß beim Lesen… und Relaten.
Dass wir zusätzlich seit knapp einem Jahr aber den Großteil unserer Zeit dazu verdammt sind, zu Hause zu hocken, Däumchen zu drehen und im Lockdown zu versauern, hilft nicht wirklich. Die Hard Facts sind einfach die: Auf der ganzen Welt tobt das Coronavirus. Draußen die Eiseskälte. Und alleine in Deutschland rund 20 Millionen Singles. Kein allzu gutes Match, um gleich mal im Tinder-Jargon zu verweilen.
Ich selbst gehörte vor einigen Monaten selbst noch der Fraktion „Single Ladies“ an – und obwohl ich jemand bin, der Alleinsein zelebriert, verstehe ich vollkommen, wenn man in diesen Zeiten einfach nicht allein sein will und würde mein Pendant auch nicht mehr hergeben wollen – egal, ob Corona oder nicht. (Reminder an dieser Stelle: Don’t settle – Jungs und Mädels. Alleinsein ist immer noch besser, als mit der falschen Person zusammen zu sein. Davon abgesehen: Einige von euch haben sicher auch schlicht kein Bock auf Daten.) Reicht doch, dass man Freunde und Kollegen nur noch digital unter die Augen bekommt, die eigene Oma schon nicht mehr weiß, wie man überhaupt aussieht und „Reisen“ garantiert das nächste Unwort des Jahres wird – wenigstens morgens mal nicht alleine aufzuwachen oder sich abends bei einem bis drei Gläsern Wein über den seelischen Zustand auszutauschen (auszukotzen), das wäre doch schön. I get it.
Und doch klappt das grade irgendwie nicht bei besonders vielen. Schließlich wurde Dating jetzt auch noch zum Politikum: Ist es moralisch überhaupt vertretbar, sich mit einer/einem Wildfremden zu treffen? Verlange ich vorher einen Schnelltest? Was können wir legal überhaupt unternehmen? Und: „Mit oder ohne Maske?“ (Nicht zu verwechseln mit der Frage nach dem Kondom – hier lautet die Antwort immer ja. Ihr wisst, Kinder.) Beachtet man dann noch die (eher große) Chance, dass der Dude oder das Girl beim Treffen letztendlich nicht aussieht wie auf den Fotos, in real Life irgendwie müffelt und/oder die allgemeine Chemie einfach absolut nicht stimmt, joa… beendet den Satz selbst. Somit häufen sich Stories à la: „Jedes Date ist aktuell ein Reinfall“, „Ich hab dem Daten bis auf Weiteres abgeschworen“, „Jedes Date trieft gerade so vor Corona-Depression“ und „Hilfe, auf dem Single-Markt gibt’s nur noch Restware.“
Natürlich… nicht! Liebe Leute, werft die Dating-Flinte bitte noch nicht ins sprichwörtliche Korn. Selbstverständlich ist nicht alles, was sich auf Dating-Plattformen tummelt, Müll. Ist ja logisch, schließlich nutzen zahlreiche meiner und sicherlich auch eurer Single-Freunde und -Bekannte derartige Apps und jede*r einzelne von ihnen ist garantiert absolut dating-worthy – und das reicht doch schon als Gegenargument. Und ja, ich geb’s zu, auch wenn die Gesamtsituation in der Vergangenheit vielleicht mal rosiger war und einige – von denen, die überhaupt einen wollen – aktuell keinen „Rona Buddy“ am Start haben, der ihnen abends die Sorgen vom Kopf krault, lässt sich an der ganzen Chause auch etwas Gutes beobachten!
Des Öfteren kam mir nun bereits zu Ohren, dass plötzlich alle auf Kuschelkurs und so gar nicht mehr auf der „lass mal kurz unverbindlich Sex haben“-Schiene unterwegs sind. Klar, wer unverbindlichen Sex will, soll das natürlich weiterhin tun – doch ist es auch kein Geheimnis, dass ausgerechnet diejenigen, die eher nach Verbindlichkeit streben, immer und immer wieder an den Stereotypen der Beziehungsunfähigkeit geraten – el classico Fuckboy. Oder Fuckgirl. Weil gendern wichtig ist. Doch selbst der oder die scheint angesichts der kräftezehrenden und ermüdenden Umstände grade eher zum zahmen Kätzchen zu mutieren und tatsächlich – es klingt gar absurd – einfach nur körperliche und seelische Wärme zu suchen, und das sind doch irgendwie ganz cute News? „Es ist, als wäre die Ära des Fuckboys mit unserer Hoffnung auf eine erste und einzige Corona-Welle geendet“, schallt es aus meinem Freundeskreis. „Seitdem scheint auch der letzte den Comfort einer zumindest vorübergehenden Beziehung zu suchen“. Das lässt mich schmunzeln – und euch hoffentlich auch.
Am Ende ist es doch so: Wir sitzen alle im gleichen, verdammten Boot. Ob mit Freundin oder ohne, mit Fuckbuddy oder ohne, mit Kuschelpartnerin oder ohne – so oder so bringt alles immer Vor- und Nachteile mit sich. Auch Beziehungen werden im Lockdown auf eine harte Probe gestellt, dem widmen wir uns aber beim nächsten Mal. Wer grade alleine ist und kein Bock mehr hat, die Wohnung zum zwölften Mal auszusortieren und YouTube zum hundertsten Mal auf Homeworkouts zu durchforsten, der kümmert sich vielleicht einfach noch ein Weilchen länger um die Beziehung zu sich selbst. Denn, so abgedroschen und oll das auch klingt – schlussendlich ist es die einzige, die wir bis an unser Lebensende pflegen müssen und die uns – ob wir wollen oder nicht – niemals wegrennt. Tindern lässt sich ja trotzdem nebenher. Haltet durch. Es kommen auch wieder bessere Zeiten. Oder so.