Der Boden schwankt, als wir von der Brücke treten und einen Fuß auf den grauen Betonboden setzen. Hinter uns liegt der Fischmarkt, vor uns das Hamburger Hafenbecken mit dem schwappenden Blau der Elbe. Möwenkreischen mischt sich mit dem Piepton einer Fähre, die ihre Laderampe auf den Ponton senkt. „Zurückbleiben bitte. Attention, stay back“, erklingt es aus den Lautsprechern der gelben Hafenfähre, die ablegt und über das Wasser davon schippert. Wir richten unseren Blick wieder auf das Gebäude, das sich vor dem strahlend blauen Sommerhimmel erhebt. Ein goldener Schriftzug auf schwarz gestrichenem Holz formen das französische Wort für Freiheit. Willkommen im Liberté.
„Das französische Wort für Freiheit spürt man in unserem Bistro auf der Elbe ganz besonders.“, verspricht das Liberté, das im Juli 2020 das erste Mal seine großen Glasschiebetüren öffnete. Nicht groß, aber imposant wirkt der schwarz gestrichenen Holzbau, der auf dem Dock 11 direkt vor dem Fischmarkt steht. Wo früher nur ein paar Bänke und Straßenlaternen standen, schwimmt heute ein Bistro. Wer sich hier einen sonnigen Platz sucht, kann nicht nur französische Küche und Drinks, sondern auch einen hervorragenden Blick über Hamburgs Skyline und seine Hafenkräne genießen, die ihre Hälse wie Giraffen in den Himmel strecken. Mitten in der Stadt und trotzdem durch 20 Meter Wasser vom Land getrennt, stellt sich auf diesem Stück schwimmenden Beton tatsächlich schnell ein Gefühl von Freiheit und Urlaub ein.
„Ich kannte den Ort und ich wusste, dass er Magie hat.“, antwortet Inhaber John Wiebelitz auf die Frage, wie er auf die Idee kam, auf einem Fähranleger ein Bistro zu bauen. Gemeinsam mit seiner Frau Anke sitzen wir mit einem Gin Basel Smash an einem Bartisch im Bistro, aus den Lautsprechern erklingt die Stimme von Frank Sinatra und draußen legt mal wieder eine Fähre an.
In Hamburg geboren, reichen Johns erste Erinnerungen an den Ponton bis in seine Kindheit zurück, als er mit seinen Eltern auf den Fischmarkt ging. Später lebte der heutige 52-jährige lange in der Bernhard-Nocht-Straße, arbeitete für die Getränkeindustrie und eröffnete 2004 schließlich seinen ersten eigenen Beach Club: den Strand Pauli. Es folgten Bars in Kiel und Wedel, alle geprägt von Johns großer Affinität zum Wasser.
„Es war von Anfang an meine Intention, dass ich so baue, als wäre das Liberté es schon immer hier gewesen. Vor allem, weil wir direkt vor der Fischauktionshalle liegen. Vor Bauten mit einer solch langen Geschichte habe ich sehr viel Respekt.“
John Wiebelitz, Inhaber
Nicht nur beim Bau des Liberté haben Anke und John ordenrtlich mit angepackt – auch das Interieur haben Anke und John komplett selber gestaltet und gebaut. Die grüne Wandvertäfelung? Selber gestrichen. Die Fliesen, die aus derselben Manufaktur wie die des Alten Elbtunnels stammen? Selber gesetzt. Und die Möbel? „Die haben wir alle auf Flohmärkten in Frankreich und Belgien gekauft. Wir wollten nicht, dass die Dinge neu sind. Sie sollten bereits ein Leben gehabt haben.“
Heute verbringen die beiden viele Abende mit dem schwankenden Ponton unter ihren Füßen. Oft zum Arbeiten, gerne aber auch für einen Drink, etwas zu essen und gute Musik. Denn obwohl das Liberté ursprünglich eine Bar werden sollte, können sich die französischen Köstlichkeiten auf der kleinen, aber feinen Karte wirklich sehen lassen – Gratinierter Ziegenkäse, Tatar, Moules Frites, Steak Frites, frische Muscheln vom Fischmarkt oder die Fromagerie, eine Auswahl an französischen Käsespezialitäten. Alles schmeckt hervorragend und erinnert den Gaumen an Urlaub in Frankreich.
Anke liebt besonders die Gambas in Tenue und Pommes Frites. Als Drink dazu darf es ein Negroni sein. John bestellt am liebsten einen Old Fashioned, die Moules Frites oder das Steak Frites. Ach ja, und die Musik ist übrigens auch ganz nach ihrem Geschmack. Denn die Playlist machen sie selber.
Als wir begleitet vom Gnatzen des Pontons und dem schwappenden Geräusch der Wellen das Liberté verlassen, sind wir beinah etwas traurig über die eiserne Brücke zu laufen, die zum Festland führt. Denn es fühlt sich tatsächlich so an, als würden wir ein Stück Freiheit zurücklassen, die man nur auf der Wasserseite des Docks 11 spürt.