St. Pauli – jeder Hamburger und jede Hamburgerin verbinden etwas mit diesem ganz besonderen Ort: Jubelschreie und Frust am Millerntor-Stadion, der Duft von frischem Schmalzgebäck auf dem Heiligengeistfeld oder das kühle Feierabendbier mit Blick auf die Kräne im Hafen. Für seine Partyszene, das Nachtleben und das Rotlichtmilieu ist der Skandal-Stadtteil allerdings weit über die Stadtgrenzen bekannt. Welche Geschichte St. Pauli zu dem gemacht hat, was es heute ist, haben wir zusammen mit der Stiftung Historische Museen Hamburg herausgefunden.
In unserer neuen Serie gehen wir zusammen mit der Stiftung Historische Museen Hamburg auf Zeitreise – und finden für euch heraus, warum unsere Hansestadt heute so ist wie sie ist. Ein bisschen wie früher im Geschichtsunterricht, nur ohne, dass ihr Jahreszahlen auswendig lernen müsst. Los geht’s!
Schon im Mittelalter hat sich St. Pauli, damals noch als Hamburger Berg bekannt, einen Namen als Vergnügungszentrum gemacht. Hier haben sich die Gewerbe wieder gefunden, die in der Stadt nicht angesehen oder zu groß waren – unter anderem auch Schausteller und Seilmacher, die lange Reeperbahnen brauchten, um ihre Taue auslegen zu können (falls ihr euch auch schon immer gefragt habt, warum die Reeperbahn eigentlich Reeperbahn heißt). Weil das Gebiet immer mehr Gewerbe und Siedler angezogen hat, wurde der Hamburger Berg im Jahr 1830 zur Vorstadt Hamburgs ernannt und wegen einer Kirche „St. Pauli-Vorstadt“ getauft.
Auch damals war der Blick von St. Pauli auf die Elbe einfach unschlagbar schön, was dafür gesorgt hat, dass die Vorstadt als beliebtes Ausflugsziel galt. Davon bekamen auch die mobilen Schausteller in der Region mit und schlossen sich als Vergnügungsmeile im Herzen St. Paulis zusammen. Diejenigen, die es sich leisten konnten, bekamen ab 1840 sogar die Chance, sich am Spielbudenplatz ein festes Geschäft aufzubauen, damit sie unabhängig der Wetterlage ihr Vergnügungsprogramm veranstalten konnten – die Geburtsstunde der St. Paulianischen Theater, die schon damals verkleidetes Personal und besondere Lichtinstallationen geboten haben.
Die volle Ladung Vergnügungsangebote, Tanzlokale, Theater und Konzerthäuser, die St. Pauli zu bieten hatte, sorgte dafür, dass die Besucher und das Publikum immer anspruchsvoller wurden und die Konkurrenz zwischen den Anbietern immer größer. Das rapide Wachstum der Szene sollte von nun an überwacht werden – 1854 wurde also eine Polizeiwache im unruhigen Viertel eingerichtet – die Davidwache.
Weil die Vorstadt auch aus der Schifffahrt immer mehr Publikum anlockte, wurde St. Pauli 1894 offiziell zu einem Stadtteil Hamburgs. Das skandalöse Viertel wurde allerdings schon längst nicht mehr nur wegen seiner Theater, Varietés oder plattdeutschen Komödien angesteuert. Wer ein bisschen genauer hinsah, fand eine aufregende und verbotene Welt auf St. Pauli. Die Anzahl der Bordelle wuchs genauso stetig wie die anderen Vergnügungsangebote in der Gegend, denn viele Männer wollten sich mit Theaterbesuchen und Alkohol nicht mehr zufriedengeben – außerdem war das Verbotene schon immer sehr verlockend.
Die Prostituierten haben sich einfach unters Partyvolk gemischt, weil sie bei lauter Musik und viel Alkohol kaum auffielen – eigentlich war Sex für Geld nicht erlaubt, aber um das Geschäft unter Kontrolle zu behalten, wurde es geduldet. Als Behörden dann doch gezwungen wurden, die Sexindustrie zu überprüfen, wurden zahlreiche Bordelle zu „Beherbergungshäusern“ umbenannt. So wurde die Herbertstraße zur Wohnanlage für Prostituierte und mit zwei Toren versehen, damit niemand dahinter kam.
St. Pauli ist trotz politischer und wirtschaftlicher Probleme auch während des Ersten Weltkrieges, der Weimarer Republik und der NS-Zeit das geblieben, was es immer war – Hamburgs Vergnügungszentrum. Doch auch danach ging es politisch noch rund im eher links einzuordnenden Viertel. St. Pauli sorgte in den 1970er-Jahren mit Hausbesetzungen, Kriminalität und regelmäßiger Randale für negative Schlagzeilen. Neben all dem Ärger feierte der Kiez aber auch Welterfolge wie dem Durchbruch der Beatles, Musicalaufführungen wie Cats und dem bis heute bekannten Schmidt Theater.
Das Viertel rund um Hamburgs berüchtigte Meile trägt seine Geschichte bis heute nach Außen und lässt Besucher wie einheimische verspüren, für was es steht. Sexshops, Party, Szene, Rabauken-Fußball, frische Hafenluft und der süße Duft des Hamburger Doms sind die Dinge, auf die wir Hamburger:innen auf keinen Fall verzichten wollen – denn wir können uns unser St. Pauli gar nicht anders vorstellen.
Die Stiftung Historische Museen Hamburg (SHMH) ist eine der größten stadt- und regionalgeschichtlichen musealen Einrichtungen Europas. Die Museen repräsentieren die Geschichte Hamburgs und seines Umlandes – von ihren Anfängen um 800 bis zur heutigen HafenCity, vom Hafenarbeiter bis zum Großbürgertum.
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