Dating-Kolumne Dating-Story: „Willst du mit mir… einen Podcast aufnehmen?“

Kolumne Podcast Boy

Gibt’s ein besseres Gefühl, als einen neuen Lieblingspodcast zu entdecken? I doubt it! So ging es mir vor einigen Monaten. Gab’s nicht auf den gängigen Streaming-Plattformen, aber auf einer gängigen Dating-Plattform. Über mehrere Wochen täglich neue Folgen. Ganz exklusiv und wie für mich gemacht. Und dann wurde er plötzlich abgesetzt. 

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Swipe, Match, ein paar Nachrichten – so weit, so gut!

Von Match zu Mini-Podcasts

Aber fangen wir von vorne an. Swipe, Match, ein paar Nachrichten. So weit, so gut. Aus den ersten Nachrichten wurden schnell Sprachnachrichten. Und aus einem Profil mit ein, zwei sympathischen Bildern eine Stimme, die zu meinem ständigen Begleiter wurde. Meine Freund:innen und ich sprachen von dort an nur noch von „Podcast Boy.“ 

Geschichten, Gefühle und Abschiedsfloskeln

Unsere liebsten Laufrouten, Wochenendpläne, Zukunftspläne, Beziehungen zu unseren Geschwistern und Eltern und die Vorfreude auf den Frühling – alles verpackt in minutenlangen Mini-Podcasts. Während ich anfangs noch zögerlich war und die erste Aufnahme sicher 5 Anläufe gebraucht hat, gewöhnte ich mich schnell daran – und an seine Stimme. Wie bei einem guten Podcast hatten natürlich auch wir eine wiederkehrende Abschiedsformel: „Oh, jetzt hab’ ich dich hier wieder vollgequatscht … schon über 3 Minuten … Hoffe, das war jetzt alles nicht zu wirr“. Solche Sprachnachrichten tausche ich sonst nur mit meinen Long-Distance-Freund:innen aus, um up-to-date zu bleiben. Ich glaube wir waren beide überrascht, wie viel wir uns zu erzählen hatten, ohne uns bisher gesehen zu haben. Betonung auf bisher natürlich! Diese Woche sei es jetzt doch noch stressig mit Lernen, danach aber ganz bestimmt. 

Zwischen Romantik und Realität

Ich bin wirklich nicht romantisch. Und trotzdem stell ich mir an diesem Punkt kurz vor, wie meine beste Freundin diese Sprachnachrichten zu einem Mini-Podcast zusammenschneidet und an unserer Hochzeit abspielt. Wäre doch eine süße Story, oder? Hilfe! Endlich. Das Date steht. Nach Wochen. Ich bin mir sicher, wenn es die Sprachnachricht-Funktion nicht gäbe, hätten wir längst schon beide das Interesse verloren. Stattdessen freue ich mich auf das Date wie schon lange nicht mehr. Am Abend davor sagt er ab. Natürlich in Podcast-Form. Es tue ihm wahnsinnig leid, aber er ist krank. Erkältung, Fieber, das volle Programm. Wie könnte ich dieser Stimme denn böse sein? Also starten wir einen dritten Anlauf.

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Von Vorfreude zur Funkstille

Knapp 1 ½ Monate läuft unser Podcast jetzt schon und damit bestimmt schon länger als manch andere auf Spotify & Co. Inzwischen haben wir die Plattform gewechselt: stream now on WhatsApp! Wir wollen am Sonntag gemeinsam kochen. Bei mir. Am Tag davor will ich mich nur vergewissern, auf welches Gericht er Lust hätte: keine Antwort. Na gut, dann entscheide ich eben selbst und gehe schon mal einkaufen. Es regnet. Ich laufe durch halb Hamburg und 3 (!) verschiedene Supermärkte, um Reispapier für Sommerrollen zu ergattern. Langsam beschleicht mich ein bedrückendes Gefühl, das nicht nur mit dem Regen und meiner Reispapier-Odyssee zusammenhängt: Es wird keine neue Podcast-Folgen mehr geben. Ich komme zuhause an. Immer noch keine Nachricht. Genauso wie am Tag des Dates – bis heute.

Von der Wut zur Erkenntnis

Die Enttäuschung weicht schnell der Wut und ich würde ihm am liebsten mit einer zynischen Nachricht ans Herz legen einen eigenen Podcast zu starten, anstatt die Zeit von Menschen auf Dating-Apps zu verschwenden. Mach ich nicht. Auf einem Date vor ein paar Wochen tausche ich mich über nervige Dating-Erfahrungen aus. Ich erzähle von Podcast-Boy. Wir einigen uns, dass es definitiv ein „zu viel“ schreiben vor dem 1. Date gibt. (Übrigens auch vor dem 2. und 3. meiner Meinung nach). Die Kluft zwischen realer Person und der Vorstellung, die man sich im Kopf anhand von (Sprach-) Nachrichten zusammenbastelt, wird sonst zu groß. Wir verlieren uns in Erinnerungen, in denen man als Jugendliche:r Ähnliches getan hat, meist aus Schüchternheit oder Unbeholfenheit. Die neue „beste Freundin“, mit der man stundenlang telefoniert hat, aber im Schulgang nur unangenehm umarmt. Oder der Crush, mit dem man die ganze Nacht chattet, der aber morgens an der Bushaltestelle kein „Hi“ über die Lippen bekommt. Been there, done that. 

Digital verknallt, analog verwirrt

Ich erinnere mich an die 6. Klasse, als es in meinem Freundeskreis eine folgenschwere Verwechslung gab. Sie chatten auf Kwick – kennt das noch irgendjemand? – und kommen dort offiziell zusammen. Süß! Nur bitter, dass sie ihn für jemand anderen hält und das Ganze dann auffliegt. Aber kann ja mal passieren, wenn man sich zu lange hinter Profilen, Nachrichten und Likes versteckt. Mit 11 hatte ich dafür vielleicht auch noch Verständnis. Mit 26 eher nicht. Life happens, Prioritäten ändern sich, alles cool. Aber wer es schafft, täglich einen kleinen Podcast aufzunehmen, hat am Ende sicherlich auch Zeit eine kurze Nachricht zu schicken, um ein Date (zum 3. Mal!!!) abzusagen. Muss auch keine Sprachnachricht sein. 

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Pizza statt Podcast!

Kein gemeinsamer Podcast vor der Ehe

Am besagten Abend gab’s dann weder Sommerrollen noch den ersten gemeinsamen Live-Podcast. Sondern Netflix und Pizza mit mir allein – auch gut. Und in dem Moment nehme ich mir was vor. Ums in den Worten unangenehmer Dating-Profile zu sagen: Lieber schnell treffen, als lange zu schreiben. Und: kein gemeinsamer Podcast vor der Ehe.